Sitzung: 14.11.2022 KA/025/2022
Beschluss: Mehrere Beschlüsse
Sachverhalt:
1.
Sachstandsbericht;
Wechsel auf der Betreiberebene
Bedarfsgesteuerte
Bediensysteme besitzen für das ÖPNV-Angebot im Landkreis Bayreuth eine zentrale
Ergänzungsfunktion. Unter dem (mittlerweile bekannten) Markenbegriff
„Anruf-Linien-Taxi“ wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl von
bedarfsgesteuerten Fahrtenangeboten in Räumen und Zeiten schwacher
Verkehrsnachfrage eingerichtet, die den normalen Linienfahrplan attraktiv
komplettieren bzw. überhaupt erst ÖPNV-Angebote möglich machen; so z.B. im
Verflechtungsbereich des Mittelzentrums Pegnitz mit dem Pegomobil-ALT-Projekt
(Mo-Fr alle Orte mit mindestens 8 Fahrtenpaaren nach/von Pegnitz +
Wochenendangebote), in den Abend- und Nachtstunden ab Bayreuth (21:00, 22:30,
24:00) in den gesamten Landkreis oder als Ergänzung des verdichteten
ÖPNV-Angebotes im Stadt- Umland-Bereich.
ALT-Angebote
gewährleisten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine hohe
Kosten-Nutzen-Effizienz. Denn: Die jeweiligen ALT-Fahrten werden nur dann
abgerufen, wenn durch telefonische Voranmeldung ein Bedarf signalisiert worden
ist; das heißt, Kosten entstehen immer nur dann, wenn tatsächlich Beförderungen
durchgeführt werden. Die durchschnittliche Aktivierung der ALT-Fahrten liegt
bei ca. 15%, das heißt 85% der angebotenen Fahrten werden nicht aktiviert und
entfalten damit auch keine Kosten. Hochgerechnet entstehen jährliche
Einsparungseffekte von ca. 1,2 Mio. Euro, wenn sämtliche ALT-Fahrten im festen
Linienverkehr (dann zusätzlich mit dem Vorwurf „Linienbusse transportieren nur
heiße Luft“) eingerichtet und durchgeführt werden würden.
ALT-Angebote
sind damit auch Basisbausteine für die konzeptionelle Neuordnung bzw.
Weiterentwicklung unseres ÖPNV-Systems im Zuge der aktuellen Erstellung des
Nahverkehrsplans. Attraktive Nahverkehrsangebote im ländlichen Raum benötigen
zwingend bedarfsgesteuerte „Parallelsysteme“, die die Verfügbarkeit und die
Akzeptanz des gesamten ÖPNV-Angebotes deutlich verbessern. Nachbarlandkreise
wie z.B. der Landkreis Hof („Hofer Landbus“) oder die Landkreise Tirschenreuth
und Neustadt/Waldnaab („Baxi“) gehen mit beträchtlichem Mittelaufwand einen
vergleichbaren Weg.
Konzessionär
für sämtliche ALT-Verkehre ist derzeit der Omnibusverkehr Franken (OVF), der
mit den durchführenden Taxiunternehmen jeweils auf vertraglicher Grundlage
zusammenarbeitet; der Landkreis Bayreuth (als ÖPNV-Aufgabenträger) fungiert als
Besteller dieser Verkehrsleistungen gegenüber dem OVF.
Aktuell
befinden wir uns in der strategisch günstigen Situation, dass in Umsetzung der
EU-Verordnung 1370/2007 jetzt (nach Auslaufen der derzeit bestehenden Genehmigung)
der formale Prozess für die endgültige Genehmigung und Konzessionserteilung
nach wettbewerblichen Grundlagen ansteht. Damit haben wir die Möglichkeit, uns
mittel- bis langfristig die günstigsten Marktkonditionen zu sichern. Dies wird
insbesondere vor dem nachfolgend unter Punkt 2. dargestellten Sachverhalt
bedeutsam.
2.
Antrag
zur Konzessionserweiterung (Vorabbekanntmachung nach EU-Verordnung 1370/2007)
Durch
die mit 01.09.2022 kurzfristig erfolgte Betriebsaufgabe des Taxiunternehmens
Trippel (vormals Worschech) erfolgte zwangsläufig eine Neujustierung des von
Trippel durchgeführten ALT-Verkehrs mit Start und Ziel Bayreuth. Mit Ausnahme
des Pegomobil-ALT im Bereich Pegnitz, dem ALT Bischofsgrün-Weißenstadt-Gefrees
sowie dem ALT Marktschorgast-Gefrees-Bad Berneck sind davon alle anderen ALTs
betroffen; hierzu zählen insbesondere der ALT-Verkehr nach Emtmannsberg, die
Verdichtungen im Format 30-Minuten-Takt, Wochenendfahrten sowie Abend- und
Nachtangebote, die mit ca. 30% aller Aktivierungen besonders nachgefragt sind.
Die
Betriebsübergabe von der Firma Trippel auf die Firma Kroter ermöglichte in den
Monaten September und Oktober die Weiterführung des ALT-Betriebes zu den
vormaligen Konditionen, die von uns äußerst günstig verhandelt wurden („low
price“). Allerdings wurde von der Firma Kroter bereits bei Betriebsübernahme
deutlich gemacht, dass diese Konditionen schon kurzfristig nicht mehr haltbar
seien, weil sie keinen wirtschaftlichen Betrieb gewährleisten. Genauso wie beim
50/50-Taxi sollte künftig der nach der aktuellen Taxiordnung gültige Taxitarif
(Mindestlohn, Energiepreise etc.) mit jeweils einer 3,5%igen Skontierung zur
Anwendung kommen. Hinsichtlich der Gestellungskosten ist dies eine durchaus
beachtliche prozentuale Erhöhung von ca. 35%, die allerdings (so zeigen es die
Monate September und Oktober) weitestgehend kompensiert wird durch eine
grundlegend modernisierte Disposition im Sinne effizienter und wirtschaftlich
optimierter Fahrtenzusammenlegungen. Im Klartext heißt dies Folgendes: Monatlich
lagen wir bei der Firma Trippel bei Gesamtkosten von ca. 23.500 €, bei der
Firma Kroter liegen wir aktuell mit einer (sogar!) leichten Zunahme des
Beförderungsaufkommens bei ca. 19.500 € (unter Anwendung des Taxitarifs dann
bei ca. 26.000 €).
Die
Stadt Bayreuth, die mit ihren vormals ebenfalls von der Firma Trippel
durchgeführten ALT-Fahrten in gleicher Weise betroffen ist, hat die neuen
Konditionen nach der Taxiordnung bereits mit 01.09.2022 akzeptiert und die
Weiterführung des ALT-Betriebes in der Bedienstruktur Kroter gesichert.
Unter
dem Gesichtspunkt der Markttransparenz haben wir eine regionale Marktabfrage
durchgeführt, welches Verkehrsunternehmen kurzfristig in der Lage wäre, diese
ALT-Leistungen zu übernehmen. Dabei zeigte sich ein ernüchterndes Bild:
Strukturell und situationsbedingt gibt es derzeit keine Anbieter im regionalen
Umfeld für ALT-Leistungen dieser Größenordnung (Gründe: Fahrermangel,
Vorhalteproblematik, Dispositionsdefizite).
Bewertung:
Die befristete Weiterführung des ALT-Systems mit Knoten Bayreuth durch die
Firma Kroter bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens nach EU-Verordnung
1370/2007 wird unter Anwendung des erhöhten Taxitarifs nach Taxiordnung (wie
bei 50/50-Taxi) befürwortet; dieser sollte rückwirkend mit 01.11.2022 gelten.
Insofern wird noch einmal darauf hingewiesen, dass der Preisanstieg
weitestgehend kompensiert werden kann durch die Implementierung einer umfassend
verbesserten Disposition. Alternative Anbieter am Markt sind aktuell nicht
vorhanden.
In
der Summe können hier zwar Einsparungen in Höhe von ca. 40.000 € pro Jahr
prognostiziert werden, wobei allerdings die Attraktivität des
ÖPNV-Gesamtsystems reduziert werden würde.
3. Eröffnung des Vergabeverfahrens
Für
die Eröffnung des Vergabeverfahrens nach der EU-Verordnung 1370/2007 wird ein
Beschluss des Kreisausschusses notwendig, wonach für sämtliche
ALT-Angebote (wie im erfolgreich
abgeschlossenen Verfahren 2019 für die überwiegende Mehrzahl unserer
ÖPNV-Linien) das formale Vergabe- und Wettbewerbsverfahren durch eine
Vorabbekanntmachung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung eröffnet werden kann. Im
Ergebnis steht dann ein formal konzessionierter Bedarfsbetrieb zu den
günstigsten Wettbewerbspreisen. Für dieses formale Verfahren bedienen wir uns
wie im Jahr 2019 und wie nahezu alle Nachbarlandkreise einer externen
juristischen Beratung.
Beschlussvorschlag:
1. Der Kreisausschuss nimmt Kenntnis vom
aktuellen Sachstand.
2. Der Anpassung der Vergütung gegenüber
dem neuen Betreiber Kroter entsprechend dem Taxitarif nach Taxiordnung bis zum
Abschluss des Vergabeverfahrens nach der EU-Verordnung 1370/2007 wird
rückwirkend zum 01.11.2022 zugestimmt.
3. Der Kreisausschuss beschließt die
formale Einleitung des Vergabeverfahrens nach EU-Verordnung 1370/2007 durch
eine Vorabbekanntmachung für das gesamte ALT-Volumen im Landkreis Bayreuth.