Beschluss: Mehrere Beschlüsse

Sachverhalt:

 

1.    Sachstandsbericht; Wechsel auf der Betreiberebene

 

Bedarfsgesteuerte Bediensysteme besitzen für das ÖPNV-Angebot im Landkreis Bayreuth eine zentrale Ergänzungsfunktion. Unter dem (mittlerweile bekannten) Markenbegriff „Anruf-Linien-Taxi“ wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl von bedarfsgesteuerten Fahrtenangeboten in Räumen und Zeiten schwacher Verkehrsnachfrage eingerichtet, die den normalen Linienfahrplan attraktiv komplettieren bzw. überhaupt erst ÖPNV-Angebote möglich machen; so z.B. im Verflechtungsbereich des Mittelzentrums Pegnitz mit dem Pegomobil-ALT-Projekt (Mo-Fr alle Orte mit mindestens 8 Fahrtenpaaren nach/von Pegnitz + Wochenendangebote), in den Abend- und Nachtstunden ab Bayreuth (21:00, 22:30, 24:00) in den gesamten Landkreis oder als Ergänzung des verdichteten ÖPNV-Angebotes im Stadt- Umland-Bereich.

 

ALT-Angebote gewährleisten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine hohe Kosten-Nutzen-Effizienz. Denn: Die jeweiligen ALT-Fahrten werden nur dann abgerufen, wenn durch telefonische Voranmeldung ein Bedarf signalisiert worden ist; das heißt, Kosten entstehen immer nur dann, wenn tatsächlich Beförderungen durchgeführt werden. Die durchschnittliche Aktivierung der ALT-Fahrten liegt bei ca. 15%, das heißt 85% der angebotenen Fahrten werden nicht aktiviert und entfalten damit auch keine Kosten. Hochgerechnet entstehen jährliche Einsparungseffekte von ca. 1,2 Mio. Euro, wenn sämtliche ALT-Fahrten im festen Linienverkehr (dann zusätzlich mit dem Vorwurf „Linienbusse transportieren nur heiße Luft“) eingerichtet und durchgeführt werden würden.

 

ALT-Angebote sind damit auch Basisbausteine für die konzeptionelle Neuordnung bzw. Weiterentwicklung unseres ÖPNV-Systems im Zuge der aktuellen Erstellung des Nahverkehrsplans. Attraktive Nahverkehrsangebote im ländlichen Raum benötigen zwingend bedarfsgesteuerte „Parallelsysteme“, die die Verfügbarkeit und die Akzeptanz des gesamten ÖPNV-Angebotes deutlich verbessern. Nachbarlandkreise wie z.B. der Landkreis Hof („Hofer Landbus“) oder die Landkreise Tirschenreuth und Neustadt/Waldnaab („Baxi“) gehen mit beträchtlichem Mittelaufwand einen vergleichbaren Weg.

 

Konzessionär für sämtliche ALT-Verkehre ist derzeit der Omnibusverkehr Franken (OVF), der mit den durchführenden Taxiunternehmen jeweils auf vertraglicher Grundlage zusammenarbeitet; der Landkreis Bayreuth (als ÖPNV-Aufgabenträger) fungiert als Besteller dieser Verkehrsleistungen gegenüber dem OVF.

 

Aktuell befinden wir uns in der strategisch günstigen Situation, dass in Umsetzung der EU-Verordnung 1370/2007 jetzt (nach Auslaufen der derzeit bestehenden Genehmigung) der formale Prozess für die endgültige Genehmigung und Konzessionserteilung nach wettbewerblichen Grundlagen ansteht. Damit haben wir die Möglichkeit, uns mittel- bis langfristig die günstigsten Marktkonditionen zu sichern. Dies wird insbesondere vor dem nachfolgend unter Punkt 2. dargestellten Sachverhalt bedeutsam.

 

2.         Antrag zur Konzessionserweiterung (Vorabbekanntmachung nach EU-Verordnung 1370/2007)

 

Durch die mit 01.09.2022 kurzfristig erfolgte Betriebsaufgabe des Taxiunternehmens Trippel (vormals Worschech) erfolgte zwangsläufig eine Neujustierung des von Trippel durchgeführten ALT-Verkehrs mit Start und Ziel Bayreuth. Mit Ausnahme des Pegomobil-ALT im Bereich Pegnitz, dem ALT Bischofsgrün-Weißenstadt-Gefrees sowie dem ALT Marktschorgast-Gefrees-Bad Berneck sind davon alle anderen ALTs betroffen; hierzu zählen insbesondere der ALT-Verkehr nach Emtmannsberg, die Verdichtungen im Format 30-Minuten-Takt, Wochenendfahrten sowie Abend- und Nachtangebote, die mit ca. 30% aller Aktivierungen besonders nachgefragt sind.

Die Betriebsübergabe von der Firma Trippel auf die Firma Kroter ermöglichte in den Monaten September und Oktober die Weiterführung des ALT-Betriebes zu den vormaligen Konditionen, die von uns äußerst günstig verhandelt wurden („low price“). Allerdings wurde von der Firma Kroter bereits bei Betriebsübernahme deutlich gemacht, dass diese Konditionen schon kurzfristig nicht mehr haltbar seien, weil sie keinen wirtschaftlichen Betrieb gewährleisten. Genauso wie beim 50/50-Taxi sollte künftig der nach der aktuellen Taxiordnung gültige Taxitarif (Mindestlohn, Energiepreise etc.) mit jeweils einer 3,5%igen Skontierung zur Anwendung kommen. Hinsichtlich der Gestellungskosten ist dies eine durchaus beachtliche prozentuale Erhöhung von ca. 35%, die allerdings (so zeigen es die Monate September und Oktober) weitestgehend kompensiert wird durch eine grundlegend modernisierte Disposition im Sinne effizienter und wirtschaftlich optimierter Fahrtenzusammenlegungen. Im Klartext heißt dies Folgendes: Monatlich lagen wir bei der Firma Trippel bei Gesamtkosten von ca. 23.500 €, bei der Firma Kroter liegen wir aktuell mit einer (sogar!) leichten Zunahme des Beförderungsaufkommens bei ca. 19.500 € (unter Anwendung des Taxitarifs dann bei ca. 26.000 €).

Die Stadt Bayreuth, die mit ihren vormals ebenfalls von der Firma Trippel durchgeführten ALT-Fahrten in gleicher Weise betroffen ist, hat die neuen Konditionen nach der Taxiordnung bereits mit 01.09.2022 akzeptiert und die Weiterführung des ALT-Betriebes in der Bedienstruktur Kroter gesichert.

Unter dem Gesichtspunkt der Markttransparenz haben wir eine regionale Marktabfrage durchgeführt, welches Verkehrsunternehmen kurzfristig in der Lage wäre, diese ALT-Leistungen zu übernehmen. Dabei zeigte sich ein ernüchterndes Bild: Strukturell und situationsbedingt gibt es derzeit keine Anbieter im regionalen Umfeld für ALT-Leistungen dieser Größenordnung (Gründe: Fahrermangel, Vorhalteproblematik, Dispositionsdefizite).

 

Bewertung: Die befristete Weiterführung des ALT-Systems mit Knoten Bayreuth durch die Firma Kroter bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens nach EU-Verordnung 1370/2007 wird unter Anwendung des erhöhten Taxitarifs nach Taxiordnung (wie bei 50/50-Taxi) befürwortet; dieser sollte rückwirkend mit 01.11.2022 gelten. Insofern wird noch einmal darauf hingewiesen, dass der Preisanstieg weitestgehend kompensiert werden kann durch die Implementierung einer umfassend verbesserten Disposition. Alternative Anbieter am Markt sind aktuell nicht vorhanden.

 

In der Summe können hier zwar Einsparungen in Höhe von ca. 40.000 € pro Jahr prognostiziert werden, wobei allerdings die Attraktivität des ÖPNV-Gesamtsystems reduziert werden würde.

 

 

3.    Eröffnung des Vergabeverfahrens

 

Für die Eröffnung des Vergabeverfahrens nach der EU-Verordnung 1370/2007 wird ein Beschluss des Kreisausschusses notwendig, wonach für sämtliche ALT-Angebote  (wie im erfolgreich abgeschlossenen Verfahren 2019 für die überwiegende Mehrzahl unserer ÖPNV-Linien) das formale Vergabe- und Wettbewerbsverfahren durch eine Vorabbekanntmachung nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung eröffnet werden kann. Im Ergebnis steht dann ein formal konzessionierter Bedarfsbetrieb zu den günstigsten Wettbewerbspreisen. Für dieses formale Verfahren bedienen wir uns wie im Jahr 2019 und wie nahezu alle Nachbarlandkreise einer externen juristischen Beratung.

 

 

 


Beschlussvorschlag:

 

1.       Der Kreisausschuss nimmt Kenntnis vom aktuellen Sachstand.

 

2.       Der Anpassung der Vergütung gegenüber dem neuen Betreiber Kroter entsprechend dem Taxitarif nach Taxiordnung bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens nach der EU-Verordnung 1370/2007 wird rückwirkend zum 01.11.2022 zugestimmt.

 

3.       Der Kreisausschuss beschließt die formale Einleitung des Vergabeverfahrens nach EU-Verordnung 1370/2007 durch eine Vorabbekanntmachung für das gesamte ALT-Volumen im Landkreis Bayreuth.