Sachverhalt:
Der
Jugendhilfeausschuss erhält durch den Jugendhilfeplaner Herrn Fischer eine
kurze Einführung zu den Neuerungen im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG)
und anschließend durch Frau Dr. Sheljaskow Infos über deren rechtlichen
Auswirkungen.
Die
Neuregelungen im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) und im
Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) werden zu einem grundlegenden Wandel des
Jugendamts führen.
Ziel
des KJSG ist, mit einer modernen Kinder- und Jugendhilfe vor allem diejenigen
Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen zu stärken, die besonderen
Unterstützungsbedarf haben. Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz steht
damit also für Verbesserungen vor allem für diejenigen jungen Menschen, die
benachteiligt sind, die unter belastenden Lebensbedingungen aufwachsen oder die
Gefahr laufen, von der sozialen Teilhabe abgehängt zu werden. Auf der anderen
Seite bedeutet das für die Jugendämter bereits im Alltag einen deutlichen
Mehraufwand durch mehr Beratung, Informationsaustausch, Erarbeitung individueller
Schutzkonzepte und neuer Vereinbarungen. Die Erfüllung des Ganztagsanspruchs
für Schulkinder kommt hinzu; vor allem aber die Inklusion als große neue
Aufgabe stellt die Arbeit des Jugendamtes auf eine neue Grundlage, die auch
personell eine Neuaufstellung erfordern wird.
Die
Neuregelungen im KJSG, die für die Arbeit eines örtlichen Jugendamts relevant
sind, lassen sich grob in fünf Bereiche unterteilen:
1.
Besserer Kinder- und Jugendschutz
Wichtige
Akteure arbeiten enger und verpflichtend zusammen: Die Kinder- und Jugendhilfe
kooperiert etwa mit dem Gesundheitswesen, den Strafverfolgungsbehörden, den
Familiengerichten und der Jugendstrafjustiz. Nun erhalten Fachkräfte, die das
Jugendamt über gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung informieren
– wie zum Beispiel Ärztinnen oder Lehrerinnen – eine Rückmeldung, § 4 Abs. 4
KKG. Meldende Berufsgeheimnisträger werden außerdem bei der
Gefährdungseinschätzung im Jugendamt in geeigneter Weise beteiligt, § 8a Abs. 1
S. 2 SGB VIII.
Kindertageseinrichtungen
und Kindertagespflegepersonen werden zur Entwicklung, Anwendung und Überprüfung
von Konzepten zum Schutz vor Gewalt als Voraussetzung für die Erteilung einer
Betriebs- bzw. Pflegeerlaubnis verpflichtet, §§ 8 a Abs. 5, 43 Abs. 4, 45 Abs.
2 Nr. 4 SGB VIII.
Bei
der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten wird der Hilfeplan mit
einbezogen, § 50 SGB VIII.
2.
Stärkung von Kindern und
Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe
aufwachsen
Für
Kinder und Jugendliche in Familienpflege müssen Schutzkonzepte erarbeitet und
angewandt werden. §§ 37a, 37b SGB VIII stellen im Bereich der Vollzeitpflege
das Jugendamt vor neue Aufgaben.
Eltern
erhalten bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie unabhängig von der
Personensorge einen Rechtsanspruch auf Beratung, Unterstützung und Förderung
ihrer Beziehung zum Kind, § 37 SGB VIII.
Die
Befugnis des Familiengerichts, den Verbleib eines Kindes in seiner
Pflegefamilie vorübergehend anzuordnen, wird um die Möglichkeit einer entsprechenden
dauerhaften Maßnahme erweitert, wenn dies zum Schutz des Kindes erforderlich
ist, §37c Abs. 2 SGB VIII i. V. m. 1632 Abs.4 BGB.
Die
Höhe der Kostenbeiträge der jungen Menschen zu vollstationären Maßnahmen
reduziert sich auf max. 25 % ihres Einkommens; Ferienjobs etc. bleiben
unberücksichtigt, § 94 Abs. 6 SGB VIII.
3.
Hilfen aus einer Hand für alle
Kinder und Jugendliche
Die
Weichen sind dafür gestellt, dass die Kinder- und Jugendhilfe ab 01.01.2028 für alle Kinder und
Jugendlichen mit und ohne Behinderungen zuständig sein wird – (sog. inklusive Große Lösung). Bis zum
01.01.2027 muss allerdings noch ein die Inhalte regelndes Bundesgesetz
verkündet werden. Die inklusive Kinder- und Jugendhilfe wird die Arbeit des
Jugendamtes grundlegend ändern. Es werden strategische Organisations- und
Führungsentscheidungen zu treffen sein. Es ist davon auszugehen, dass in den
kommenden fünf Jahren das Jugendamt einen Paradigmenwechsel wird durchmachen
müssen und in einem bisher unbekannten Maße wachsen wird. Ihm wächst dann eine
neue Rolle als Koordinator von Eingliederungshilfen zu – neben die Hilfen zur
Erziehung treten selbständig die Hilfen zur Teilhabe.
Bereits
seit Juni 2021 soll die Kinder- und Jugendhilfe Handlungskonzepte und -abläufe
für alle Kinder und Jugendliche aktualisieren und eine fachlich verbundene
Zusammenarbeit einzelner Akteure an den Schnittstellen diverser Systeme
anstreben, §§36 Abs. 3, 36b Abs.2, 41 Abs.3 SGB VIII.
Inklusion
ist nun ein Leitgedanke der Kinder- und Jugendhilfe. Für Kinder und Jugendliche
mit Behinderungen und ihre Eltern wird es deutlich leichter, ihre Rechte zu
verwirklichen und die Leistungen zu bekommen, die ihnen zustehen. Betroffene
Kinder, Jugendliche und ihre Eltern werden im Hinblick auf ihre Leistungen,
aber auch zu Zuständigkeiten und Leistungen anderer Systeme verbindlicher
beraten, §§1 Abs. 3, Nr. 2, 7 Abs. 2, 8 b Abs. 3, 9 Abs. 3 und 4.
Ab
2024 werden Eltern zudem durch einen
Verfahrenslotsen unterstützt, das heißt, sie haben eine verlässliche
Ansprechperson, die sie durch das gesamte Verfahren begleitet, § 10 a SGB VIII.
4.
Mehr Prävention vor Ort
Erfolgreiche
Prävention ist ein Schlüssel für ein gelingendes Aufwachsen in der Familie - gerade
für Familien mit besonderen Belastungen. Hierzu sollen Familien, Kinder und
Jugendliche leichter und schneller ortsnahe Hilfe bekommen. In Notsituationen
können sie sich an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden und
dort unbürokratisch - ohne Antrag und ohne Amt - eine Hilfe zur Bewältigung
ihres Alltags erhalten, vgl. § 20 SGB VIII.
Schulsozialarbeit
ist nunmehr als Leistung der Jugendhilfe in §§ 2 Abs. 2, Nr. 1, 13 a SGB VIII
verankert. Die landesspezifische Umsetzung in Bayern erfolgt durch die
Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen.
5.
Mehr Beteiligung von jungen
Menschen, Eltern und Familien
Kinder
und Jugendliche und ihre Familien sollen mehr Gehör erhalten und darin
unterstützt werden, ihre Rechte wahrzunehmen. Hierzu sieht der Gesetzentwurf
beispielsweise die Verankerung von Ombudsstellen als externe und unabhängige
Anlaufstellen für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern vor.
Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen und in
Pflegefamilien werden erweitert beziehungsweise verbessert, § 9a SGB VIII.
Der
Entwurf stärkt organisierte Formen der Selbstvertretung. Junge Menschen
erhalten außerdem einen uneingeschränkten eigenen, von den Eltern losgelösten, Beratungsanspruch
– in einer für sie wahrnehmbaren, nachvollziehbaren und verständlichen Form, §
10a Abs 1 SGB VIII.
6.
Anspruch auf Ganztagsbetreuung
Nach
dem GaFöG erhält jeder Erstklässler ab dem Schuljahr 2026/27 einen Anspruch auf
Ganztagsbetreuung, § 24 Abs. 4 neu SGB VIII (in Kraft ab 1.1.2023). Die
Sicherstellung der Ganztagsbetreuung liegt in der Gesamtverantwortung des
Jugendamtes, das - sicherlich in Kooperation mit den Landkreisgemeinden und der
Schulverwaltung – aber auch selbst personell erhebliche Ressourcen wird
investieren müssen, um diese neue Aufgabe erfüllen zu können.
Beschluss:
Der
Jugendhilfeausschuss des Landkreises Bayreuth nimmt den Bericht der Verwaltung
zu den neuen gesetzlichen Vorgaben und deren personellen und finanziellen
Auswirkungen auf die Jugendhilfe zustimmend zur Kenntnis und unterstützt
künftige Personalmehrungen und bauliche Maßnahmen in diesem Rahmen.