Beschluss: Abstimmungsergebnis:

Abstimmung: Ja: 14, Nein: 0

Sachverhalt:

Der Jugendhilfeausschuss erhält durch den Jugendhilfeplaner Herrn Fischer eine kurze Einführung zu den Neuerungen im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) und anschließend durch Frau Dr. Sheljaskow Infos über deren rechtlichen Auswirkungen. 

Die Neuregelungen im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) und im Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) werden zu einem grundlegenden Wandel des Jugendamts führen.

Ziel des KJSG ist, mit einer modernen Kinder- und Jugendhilfe vor allem diejenigen Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen zu stärken, die besonderen Unterstützungsbedarf haben. Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz steht damit also für Verbesserungen vor allem für diejenigen jungen Menschen, die benachteiligt sind, die unter belastenden Lebensbedingungen aufwachsen oder die Gefahr laufen, von der sozialen Teilhabe abgehängt zu werden. Auf der anderen Seite bedeutet das für die Jugendämter bereits im Alltag einen deutlichen Mehraufwand durch mehr Beratung, Informationsaustausch, Erarbeitung individueller Schutzkonzepte und neuer Vereinbarungen. Die Erfüllung des Ganztagsanspruchs für Schulkinder kommt hinzu; vor allem aber die Inklusion als große neue Aufgabe stellt die Arbeit des Jugendamtes auf eine neue Grundlage, die auch personell eine Neuaufstellung erfordern wird.

Die Neuregelungen im KJSG, die für die Arbeit eines örtlichen Jugendamts relevant sind, lassen sich grob in fünf Bereiche unterteilen:

 

1.                  Besserer Kinder- und Jugendschutz

Wichtige Akteure arbeiten enger und verpflichtend zusammen: Die Kinder- und Jugendhilfe kooperiert etwa mit dem Gesundheitswesen, den Strafverfolgungsbehörden, den Familiengerichten und der Jugendstrafjustiz. Nun erhalten Fachkräfte, die das Jugendamt über gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung informieren – wie zum Beispiel Ärztinnen oder Lehrerinnen – eine Rückmeldung, § 4 Abs. 4 KKG. Meldende Berufs­geheimnis­träger werden außerdem bei der Gefährdungseinschätzung im Jugendamt in geeigneter Weise beteiligt, § 8a Abs. 1 S. 2 SGB VIII.

Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegepersonen werden zur Entwicklung, Anwendung und Überprüfung von Konzepten zum Schutz vor Gewalt als Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebs- bzw. Pflegeerlaubnis verpflichtet, §§ 8 a Abs. 5, 43 Abs. 4, 45 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII.

Bei der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten wird der Hilfeplan mit einbezogen, § 50 SGB VIII.

 

2.                  Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen

Für Kinder und Jugendliche in Familienpflege müssen Schutzkonzepte erarbeitet und angewandt werden. §§ 37a, 37b SGB VIII stellen im Bereich der Vollzeitpflege das Jugendamt vor neue Aufgaben.

Eltern erhalten bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie unabhängig von der Personensorge einen Rechtsanspruch auf Beratung, Unterstützung und Förderung ihrer Beziehung zum Kind, § 37 SGB VIII.

Die Befugnis des Familiengerichts, den Verbleib eines Kindes in seiner Pflegefamilie vorübergehend anzuordnen, wird um die Möglichkeit einer entsprechenden dauerhaften Maßnahme erweitert, wenn dies zum Schutz des Kindes erforderlich ist, §37c Abs. 2 SGB VIII i. V. m. 1632 Abs.4 BGB.

Die Höhe der Kostenbeiträge der jungen Menschen zu vollstationären Maßnahmen reduziert sich auf max. 25 % ihres Einkommens; Ferienjobs etc. bleiben unberücksichtigt, § 94 Abs. 6 SGB VIII.

 

3.                  Hilfen aus einer Hand für alle Kinder und Jugendliche

Die Weichen sind dafür gestellt, dass die Kinder- und Jugendhilfe ab 01.01.2028 für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen zuständig sein wird – (sog. inklusive Große Lösung). Bis zum 01.01.2027 muss allerdings noch ein die Inhalte regelndes Bundesgesetz verkündet werden. Die inklusive Kinder- und Jugendhilfe wird die Arbeit des Jugendamtes grundlegend ändern. Es werden strategische Organisations- und Führungsentscheidungen zu treffen sein. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden fünf Jahren das Jugendamt einen Paradigmenwechsel wird durchmachen müssen und in einem bisher unbekannten Maße wachsen wird. Ihm wächst dann eine neue Rolle als Koordinator von Eingliederungshilfen zu – neben die Hilfen zur Erziehung treten selbständig die Hilfen zur Teilhabe.

 

Bereits seit Juni 2021 soll die Kinder- und Jugendhilfe Handlungskonzepte und -abläufe für alle Kinder und Jugendliche aktualisieren und eine fachlich verbundene Zusammenarbeit einzelner Akteure an den Schnittstellen diverser Systeme anstreben, §§36 Abs. 3, 36b Abs.2, 41 Abs.3 SGB VIII.

Inklusion ist nun ein Leitgedanke der Kinder- und Jugendhilfe. Für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und ihre Eltern wird es deutlich leichter, ihre Rechte zu verwirklichen und die Leistungen zu bekommen, die ihnen zustehen. Betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Eltern werden im Hinblick auf ihre Leistungen, aber auch zu Zuständigkeiten und Leistungen anderer Systeme verbindlicher beraten, §§1 Abs. 3, Nr. 2, 7 Abs. 2, 8 b Abs. 3, 9 Abs. 3 und 4.

Ab 2024 werden Eltern zudem durch einen Verfahrenslotsen unterstützt, das heißt, sie haben eine verlässliche Ansprechperson, die sie durch das gesamte Verfahren begleitet, § 10 a SGB VIII.

 

4.                  Mehr Prävention vor Ort

Erfolgreiche Prävention ist ein Schlüssel für ein gelingendes Aufwachsen in der Familie - gerade für Familien mit besonderen Belastungen. Hierzu sollen Familien, Kinder und Jugendliche leichter und schneller ortsnahe Hilfe bekommen. In Notsituationen können sie sich an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden und dort unbürokratisch - ohne Antrag und ohne Amt - eine Hilfe zur Bewältigung ihres Alltags erhalten, vgl. § 20 SGB VIII.

Schulsozialarbeit ist nunmehr als Leistung der Jugendhilfe in §§ 2 Abs. 2, Nr. 1, 13 a SGB VIII verankert. Die landesspezifische Umsetzung in Bayern erfolgt durch die Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen.

 

5.                  Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien

Kinder und Jugendliche und ihre Familien sollen mehr Gehör erhalten und darin unterstützt werden, ihre Rechte wahrzunehmen. Hierzu sieht der Gesetzentwurf beispielsweise die Verankerung von Ombudsstellen als externe und unabhängige Anlaufstellen für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern vor. Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen und in Pflegefamilien werden erweitert beziehungsweise verbessert, § 9a SGB VIII.

Der Entwurf stärkt organisierte Formen der Selbstvertretung. Junge Menschen erhalten außerdem einen uneingeschränkten eigenen, von den Eltern losgelösten, Beratungsanspruch – in einer für sie wahrnehmbaren, nachvollziehbaren und verständlichen Form, § 10a Abs 1 SGB VIII.

 

6.                  Anspruch auf Ganztagsbetreuung

 

Nach dem GaFöG erhält jeder Erstklässler ab dem Schuljahr 2026/27 einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung, § 24 Abs. 4 neu SGB VIII (in Kraft ab 1.1.2023). Die Sicherstellung der Ganztagsbetreuung liegt in der Gesamtverantwortung des Jugendamtes, das - sicherlich in Kooperation mit den Landkreisgemeinden und der Schulverwaltung – aber auch selbst personell erhebliche Ressourcen wird investieren müssen, um diese neue Aufgabe erfüllen zu können.

 

 

 


Beschluss:

Der Jugendhilfeausschuss des Landkreises Bayreuth nimmt den Bericht der Verwaltung zu den neuen gesetzlichen Vorgaben und deren personellen und finanziellen Auswirkungen auf die Jugendhilfe zustimmend zur Kenntnis und unterstützt künftige Personalmehrungen und bauliche Maßnahmen in diesem Rahmen.