Beschluss: Mehrere Beschlüsse

Sachverhalt:

 

Mit Schreiben vom 17.11.2021 beantragt KR Holger Bär (JL-Fraktion), dass der Landkreis eine Abfrage unter den kreisangehörigen Kommunen durchführen und abklären möge, ob an einer Gründung und Beteiligung an einem Zweckverband, der als zentrale Vergabestelle für die Gemeinden und Zweckverbände fungiert und daneben auch weitere Aufgaben übernehmen könnte, Interesse bestünde. Anschließend sei, soweit Bedarf bestehe, die Gründung eines derartigen Verbandes zu initiieren und zu koordinieren. Ebenfalls sei bei Bedarf externe Unterstützung (StMI, Regierung etc.) in Anspruch zu nehmen.

 

Außerdem werde gebeten in diesem Zusammenhang auch eine Abfrage bei weiteren Verbänden und Organisationen durchzuführen (Freiraum für Macher, ILE, etc.), ob Interesse an einer gemeinsamen Vorgehensweise bestehe.

 

Begründet wird der Antrag im Wesentlichen mit Kostenersparnissen für die Gemeinden, weil davon ausgegangen wird, dass keine fachlich spezialisierten externen Büros mehr eingeschaltet werden müssen und Kompetenzen, bspw. für die Beschaffung von Feuerwehreinsatzmitteln, gebündelt werden können. Als Beispiele werden der „Zweckverband Kommunales Dienstleistungszentrum Oberland“ (KDZ) mit Sitz in Bad Tölz sowie die Landkreise Coburg und Wunsiedel i. F. genannt. Näheres ist dem beigefügten Antrag zu entnehmen.

 

Der KDZ wurde am 11.01.2007 als „Zweckverband Kommunale Verkehrssicherheit Oberland“ gegründet. Er hat aktuell (Stand: 25.11.2022) 150 Mitglieder und 148 Mitarbeitende mit steigender Tendenz. Dabei handelt es sich ausschließlich um kreisangehörige Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und eine kreisfreie Stadt. Andere kommunale Gebietskörperschaften sind nicht vertreten. Im Jahr 2017 wurde der Aufgabenbereich um den Sektor „Forderungsmanagement“ erweitert und der Name in „Zweckverband Kommunales Dienstleistungszentrum Oberland“ geändert. In der Verbandsversammlung am 08.11.2019 wurde die Aufgabe "Vergabe" als neues Produkt verabschiedet und mit der 36. Änderungssatzung des Zweckverbandes vom 15. Mai 2020 im Oberbayerischen Amtsblatt Nr. 14 vom 29. Mai 2020, S. 142 bis 145, öffentlich bekannt gemacht (vgl. Anlage).

 

In der Änderungssatzung sind unter § 1 Nr. 6 Abs. 4 die Einzelheiten der Aufgabe „Übernahme von Vergabeverfahren“ geregelt. Hieraus wird ersichtlich, dass das KDZ zwar berät und die formalen Verfahren durchführt, für die fachspezifischen Vergabeunterlagen und deren fachliche Prüfung weiterhin jedoch die einzelnen Verbandsmitglieder bzw. die von diesen beauftragten Unternehmen zuständig sind.

Die durch die Gründung eines Zweckverbandes erhofften Synergieeffekte hinsichtlich möglicher Kosteneinsparungen und Kompetenzkonzentrationen für seine Mitglieder müssen daher differenziert betrachtet werden. Ein Zweckverband, der diese umfassenden Kompetenzen vorhalten wollte, würde bei konservativer Schätzung mehrere Dutzend Mitarbeiter benötigen, welche speziell für ihren jeweiligen Bereich intensiv und fortlaufend geschult werden müssten. Es darf nicht verkannt werden, dass der KDZ lediglich für ein formal korrektes Verfahren sorgt, ohne final Verantwortung für den fachlichen Inhalt einer Ausschreibung seiner Mitglieder zu übernehmen. Insbesondere müssen die Verbandsmitglieder auch weiterhin vergaberechtlich geschultes Personal vorhalten, da das KDZ in einigen wesentlichen Bereichen eines Vergabeverfahrens lediglich unterstützend tätig wird (Schätzung Auftragswert, Bestimmung Eignungs-/ Wertungskriterien; § 1 Nr. 6 Abs. 4 a), f) Änderungssatzung).

 

Regelungen für den Fall eines Nachprüfungsantrages (Rechtsbehelf) durch einen (unterlegenen) Bieter enthält die Änderungssatzung nicht, da Antragsteller/Antragsgegner in einem solchen Verfahren immer der öffentliche Auftraggeber selbst, also das für die Ausschreibung verantwortliche Verbandsmitglied, ist und der Zweckverband lediglich im Auftrag gehandelt hat.

 

KR Holger Bär bezieht sich in seiner Antragsbegründung auch auf die Landkreise Wunsiedel i. F.  und Coburg, die für ihre kreisangehörigen Gemeinden Vergaben durchführen. Rückfragen haben ergeben, dass der Landkreis Wunsiedel i. F. für die zwölf teilnehmenden Gemeinden die europaweiten Ausschreibungen und Unterschwellenvergaben abwickelt. Die kreisfreie Stadt Coburg als historisch gewachsene Vergabestelle wickelt auf Grundlage einer Zweckvereinbarung zusätzlich zur Stadt für den Landkreis Coburg und 17 kreisangehörige Gemeinden die Vergabeverfahren ab, die über einem kalkulierten Auftragswert von 30.000€ liegen.

 

Beide Behörden führen ausschließlich elektronische Verfahren durch. Hierbei ist zu beachten, dass die Ausschreibungsunterlagen (insb. Leistungsverzeichnisse) von den Kommunen zugearbeitet werden müssen und auch die fachliche Prüfung der Angebote dort erfolgt. Die Vergabestellen beraten, veröffentlichen (Wahl der Ausschreibungsart und Sicherstellung der korrekten Durchführung des formalen Verfahrens) und erstellen auf Grund der fachlichen Prüfung / Wertungen durch die Gemeinde oder ein von ihr beauftragtes Fachbüro einen Vergabevorschlag. Die Zuschlagserteilung und sich daraus ergebende Rechtsfolgen, falls nicht dem Vergabevorschlag gefolgt wurde, fallen wiederum in den Verantwortungsbereich der Gemeinden.

 

Bereits im Jahr 2019 haben im Nachgang eines Antrags von KR Holger Bär bei einer Abfrage nach der Notwendigkeit der Schaffung einer gemeinsamen überörtlichen Vergabestelle für den Landkreis und seiner kreisangehörigen Gemeinden im Rahmen einer Bürgermeisterdienstbesprechung von den 31 anwesenden Bürgermeistern 28 mit Nein und 3 mit Ja gestimmt. Infolgedessen hat der Kreisausschuss am 13.12.2019 die Einrichtung einer gemeinsamen Zentralen Vergabestelle mit 9:1 Stimmen abgelehnt.

 

Nach Art. 17 KommZG können sich Gemeinden, Landkreise und Bezirke zu einem Zweckverband zusammenschließen und ihm einzelne Aufgaben oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängenden Aufgaben übertragen. Neben diesen Gebietskörperschaften können auch andere Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts Mitglieder eines Zweckverbands sein, wenn nicht die für sie geltenden besonderen Vorschriften die Beteiligung ausschließen. Ebenso können natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts Mitglieder eines Zweckverbands sein, wenn die Erfüllung der Verbandsaufgaben dadurch gefördert wird und Gründe des öffentlichen Wohls nicht entgegenstehen. Vor diesem Hintergrund sollten zunächst nur Gemeinden und Zweckverbände hinsichtlich ihres Interesses an einem gemeinsamen Vergabezweckverband angefragt werden. Sonstige vom Antrag umfasste Organisationen (Bsp.: Freiraum für Macher, ILE) kämen nur in Betracht, sofern es sich bei ihnen um Körperschaften bzw. juristische Personen des Privatrechts handelt.

 

Die Vorarbeiten zur Gründung eines Zweckverbandes, an dem der Landkreis selbst nicht beteiligt ist, unterliegt nicht der Zuständigkeit des Landkreises; vielmehr sollte dies federführend von einer leistungsfähigen Gemeinde übernommen werden, die beabsichtigt, Gründungsmitglied zu werden. Hinzu kommt, dass die Vergabestelle des Landkreises aufgrund der Langzeiterkrankung eines Mitarbeitenden sich aktuell nicht in der Lage sieht, diese Arbeiten zusätzlich zu den stark angestiegenen Ausschreibungen im Zuge der Ukraine- und Asylkrise zu schultern.

Der Landkreis würde sich jedoch bereit erklären, sofern die personellen Kapazitäten wieder gegeben sind, den Prozess anzustoßen und eine Abfrage bei den Gemeinden und Zweckverbänden zu initiieren und sich (im Rahmen seiner Kapazitäten) mit seiner Expertise in den Prozess einzubringen. Die Federführung für das weitere Verfahren sollte nach der Interessensbekundung allerdings bei einer kreisangehörigen Gemeinde angesiedelt werden.


Beschlussvorschlag:

 

  1. Die Landkreisverwaltung wird beauftragt, eine Erhebung bei den kreisangehörigen Gemeinden und Zweckverbänden im Landkreis, an denen der Landkreis nicht Mitglied ist, vorzunehmen, ob Interesse besteht, im Wege der kommunalen Zusammenarbeit, einen Zweckverband (ohne Beteiligung des Landkreises) mit der Aufgabe der formalen Durchführung von Vergabeverfahren zu gründen.

 

  1. Sollten mehr als zehn kreisangehörige Gemeinden bzw. Zweckverbände ihr Interesse bekunden, wird die Landkreisverwaltung beauftragt, zu einer gemeinsamen Sitzung einzuladen, in der die Modalitäten der Verbandsgründung besprochen werden. Die Federführung des Verfahrens geht dann auf eine kreisangehörige Gemeinde über. Der Landkreis bringt sich in das Verfahren im Rahmen der personellen Leistungsfähigkeit der hausinternen Vergabestelle ein.