Ländlich geprägte Flächenlandkreise wie der Landkreis Bayreuth entwickeln spezielle Herausforderungen an eine nachhaltig wirkende Mobilitätspolitik. Das private KFZ wird auf Dauer unbestritten das vorrangige Verkehrsmittel bleiben, öffentliche Verkehre tun sich viel schwerer als z.B. in verdichteten Stadt-Umland-Bereichen: Attraktive Angebote kosten einerseits viel Geld, andererseits zeigt sich die Nachfrage danach nur sehr begrenzt und selektiv. Das ist eine nüchterne Bestandsaufnahme: Es fehlt die Masse, die Bevölkerungskonzentration, die notwendig ist, um öffentliche Verkehrssysteme sinnvoll zu betreiben.
Aber: Aktive Verkehrspolitik im ländlichen Raum muss den nächsten Schritt gehen. Sie muss mobilitätsspezifische Freiheitsgrade durch innovative Systeme auch dort ermöglichen, wo die Rahmenbedingungen alles andere als gut sind. Die muss Fantasie entwickeln, wie es „dennoch“ gehen könnte.
Diesbezüglich hat der Landkreis Bayreuth bereits einiges vorzuweisen, denn er war schon immer Vorreiter für „Mobilität im Ländlichen Raum“. Beispielhaft genannt sind die seit langem eingeführten Bürgerbusprojekte, ehrenamtliches Selbsthilfeprojekte, die mittlerweile in zwei Dritteln des Landkreises laufen, das Anruf-Linien-Taxi, das es in unterschiedlichen Formen gibt, vom Pegomobil über die Verdichtung von ÖPNV-Linien in nachfrageschwachen Zeiten, ganz speziell bezüglich Abend- und Nachtfahrten ab Bayreuth in das gesamte Landkreisgebiet oder das seit 2020 eingeführte Fifty-Fifty-Taxi für die Freizeitmobilität an Wochenenden.
Im Ende 2023 verabschiedeten Nahverkehrsplan für den Landkreis wird der Bogen noch weiter gespannt, insbesondere was die Erreichbarkeit von ländlichen Grundzentren und von gut getakteten regionalen Schnellbuslinien anbelangt: Zauberwort ist hier: Bedarfssteuerung. Dies geht einher mit der Weiterentwicklung bestehender Systeme zu flächigen on-Demand-Systemen – und das nicht in fest abgesteckten administrativen Grenzen, sondern gebiets- und landkreisüberschreitend, unter Nutzung wirtschaftlicher und verkehrlicher Synergien.
Damit sind wir schlüssig beim BAXI, dem Bedarfsverkehrsangebot der Landkreise Neustadt/Waldnaab und Tirschenreuth. Ähnlich wie beim bedarfsgesteuerten Pegomobilangebot im mittelzentralen Verflechtungsbereich von Pegnitz werden hier ausschließlich bedarfsorientiert, das bedeutet: Fahrt und damit Kosten nur nach Aktivierung attraktive Verkehrsangebote in ausgewiesenen Verkehrskorridoren eingerichtet. Der Nahverkehrsplan des Landkreises Bayreuth hat diesbezüglich für die Räume Speichersdorf, Kirchenpingarten, Prebitz und Creußen die Empfehlung ausgesprochen, Kooperationen mit diesen bestehenden Systemen herzustellen.
Dies ist nun im Raum Speichersdorf mit dem Landkreis Neustadt/Waldnaab gelungen, durchaus in einer beidseitigen Win-Win-Situation. Der Landkreis Neustadt/Waldnaab hatte Interesse an einer attraktiven Anbindung des Zentrums für Künstliche Intelligenz Kloster Speinshart an die überregionale Schiene in Kirchenlaibach. Diesbezüglich wurde gemeinsam der Verkehrskorridor Eschenbach-Speinshart-Speichersdorf/Kirchenlaibach entwickelt.
Für den Landkreis Bayreuth sind dabei die Verbindung über die Landkreisgrenzen hinaus und die für die Orte Guttenthau, Plössen, Ramlesreuth, Nairitz/Kodlitz und Windischenlaibach neue Verbindungsqualität mit dem Gemeindezentrum Speichersdorf interessant. Das Projekt ist eingebunden in eine Förderstruktur durch den Freistaat Bayern und läuft zunächst für eine einjährige Probephase.
Im Einzelnen:
- Im Verkehrskorridor 8443 Eschenbach-Kirchenlaibach gibt es ein attraktives Mobilitätsangebot, das montags bis freitags 10 Fahrtenpaare täglich sowie samstags, sonntags und feiertags 9 Fahrtenpaare täglich bietet.
- Sämtliche Fahrten sind, mindestens eine Stunde vor Abfahrt, über die BAXI-Zentrale telefonisch zu aktivieren und sind zeitlich mit den An- und Abfahrtszeiten des RE Marktredwitz-Nürnberg am Bahnhof Kirchenlaibach koordiniert.
- Eine Anmeldung des Fahrtwunsches erfolgt telefonisch unter der Nummer 09602 6379797; für Fahrten an Sonn- und Feiertagen ist eine Anmeldung am Vortag erforderlich.
- Wichtig ist, weil noch in Erprobungsphase: Für das BAXI, also auch für alle Fahrten im Gemeindegebiet Speichersdorf, gilt der TON-Tarif (Tarif Oberpfalz-Nord), da der Landkreis Neustadt/Waldnaab noch nicht dem VGN angehört.
- Das Fahrtenangebot und alle sonstigen Informationen gibt es im Internet unter www.new-baxi.de
„Eine Prognose hinsichtlich Akzeptanz des neuen Verkehrsangebotes ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu treffen. Wir werden die Nachfrageentwicklung im Zusammenspiel mit den Kollegen aus dem Landkreis NEW allerdings genau beobachten und flexible Nachjustierungen, wenn erforderlich, zeitnah vornehmen,“ sagt Landrat Florian Wiedemann. Vereinbart mit dem Landkreis Neustadt/Waldnaab wurde, dass der Landkreis Bayreuth die Finanzierung sämtlicher Fahrten, die im Gemeindegebiet Speichersdorf starten und dort enden, übernimmt.
„Wir sind dem Landkreis Neustadt/Waldnaab sehr dankbar, dass uns im Zuge der Korridorplanung für das KI-Zentrum Speinshart der Zutritt zum BAXI-System ermöglicht werden konnte,“ so Landrat Wiedemann und ergänzt: „Inwieweit BAXI auch auf unsere anderen „Grenzräume“ wie Kirchenpingarten oder Prebitz übertragen werden kann, hängt von den Ergebnissen unserer ersten Projektphase ab.“
Das Foto zeigt Carmen Hahn, Mobilitätsmanagerin der Regionalen Entwicklungsagentur des Landkreises Bayreuth, Herrn Renner von Renner Taxi Eschenbach, Detlev Schmidt, Leiter der Regionalen Entwicklungsagentur des Landkreises Bayreuth, Eva Vogel von der Gemeinde Speichersdorf, den Speichersdorfer Bürgermeister Christian Porsch und Landrat Florian Wiedemann.